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Jahresbericht des Düsseldorfer Instituts für Energierecht 2020

Die Sars-Cov-2-Pandemie berührt mit ihren tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen nahezu alle Lebensbereiche. Auch die Arbeit des Düsseldorfer Instituts für Energierecht (DIER) blieb davon im vergangenen Jahr nicht unberührt. So mussten an der Universität alle Lehrveranstaltungen auf Online-Formate umgestellt werden. Prof. Kreuter-Kirchhof hielt ihre ersten Vorlesungen bereits Anfang April per Zoom. Rechtswissenschaftliche Inhalte können auf diesem Weg vermittelt werden; der persönliche Austausch und die individuellen Gespräche hingegen werden von allen – Studierenden und Dozenten – schmerzlich vermisst. Gleichzeitig rückten konkrete mit der Pandemiebekämpfung verbundene rechtliche Fragestellungen in den Blickpunkt der rechtswissenschaftlichen Forschung. So nahm Prof. Kreuter-Kirchhof am 6. April 2020 im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im nordrhein-westfälischen Landtag Stellung zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für das nordrhein-westfälische Infektionsschutz- und Befugnisgesetz (IfSBG-NRW; Landtag NRW, Stellungnahme 17/2463). Sie hob die Vorsorgepflicht des Staates hervor, entwickelte eine verfassungskonforme Definition der epidemischen Lage von landesweiter Tragweite und empfahl den Aufbau eines Freiwilligenregister vorrangig vor der staatlichen Indienstnahme von Ärzten und Pflegern.

Durch die Pandemie ist der Öffentlichkeit die Bedeutung wissenschaftlicher Forschung bewusst geworden. Gleichzeitig rückt der Schutz des Klimasystems der Erde als einer globalen Herausforderung nun wieder stärker in den Blick. Das DIER leistet weiterhin mit seiner Forschung einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines kohärenten und verlässlichen Rechtsrahmens für die grundlegende Transformation unserer Energiesysteme.

Das DIER eröffnete das Jahr 2020 mit einem „Forum Energierecht“ zum Thema „Speicher in der Energiewirtschaft“. Am 27.01.2020 erörterten Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und anwaltlicher Praxis im Haus der Universität in Düsseldorf die mit der Einbindung von Speichern in das Energiesystem verbundenen Rechtsfragen. Den aktuellen technologischen Stand und die Entwicklungsmöglichkeiten der unterschiedlichen Speichertechnologien stellte zu Beginn des Forums Prof. Dr.-Ing. Wolfgang A. Benesch (STEAG Energy Service GmbH) dar. Deutlich wurden die Kapazitätspotentiale und Einsatzmöglichkeiten insbesondere von Gasspeichertechnologien (Power-to-X) sowie die Dynamik der technologischen Entwicklung. Dem aktuellen nationalen und europäischen Rechtsrahmen für Speicher widmete sich Prof. Dr. Hartmut Weyer (Technische Universität Clausthal) und mit besonderem Bezug zum Rechtsrahmen für zukünftige Technologien des Power-to-X Dr. Christian Schütte (Vors. 9. BK BNetzA). Reaktionen aus der Anwaltschaft von Dr. Torsten Wielsch(Pinsent Masons LLP) und eine gemeinsame Podiumsdiskussion unter Leitung von Prof. Kreuter-Kirchhof rundeten die Veranstaltung ab. Bei dem sich anschließenden Empfang im Haus der Universität machten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer rege Gebrauch von der Möglichkeit des individuellen Austauschs und Gesprächs. Es sollte der letzte Empfang in diesem Jahr gewesen sein.

Mit den europa- und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für den schnelleren Ausstieg aus der Braunkohleverstromung befasste sich Prof. Kreuter-Kirchhof in einer Sachverständigenanhörung am 7.09.2020 zum öffentlich-rechtlichen Vertrag der Bundesregierung mit den Braunkohlebetreibern im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages. Auf der Grundlage des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes bestimmt der Vertrag die Verwendung der Entschädigungszahlungen, die Rechtsfolgen bei wesentlichen Änderungen der Verhältnisse und einen Rechtsbehelfsverzicht der Betreiber. Prof. Kreuter-Kirchhof betonte, dass der Gesetzgeber mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) und dem vorliegenden Vertrag den Empfehlungen der Kommission für „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ folge, der Vertrag durch eine einvernehmliche Lösung Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und Planungssicherheit zu schaffen suche, die beihilfenrechtliche Genehmigung der Europäischen Kommission aber noch ausstehe.

Am 8.09.2020 wurde Prof. Kreuter-Kirchhof in den Vorstand der wissenschaftlichen Vereinigung für das gesamte Regulierungsrecht gewählt. Die Tagungen der Vereinigung widmen sich den konzeptionellen Grundlagen, normativen Strukturen und übergreifenden Bezügen aller Facetten des Regulierungsrechts. Mitglied der Vereinigung sind Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren sowie Habilitanden, die sich mit Fragen des Regulierungsrechts in seinen öffentlich-rechtlichen oder zivilrechtlichen Ausprägungen befassen.

Im Rahmen der „Berlin Lectures on Energy“ hielt Prof. Kreuter-Kirchhof am 26. Oktober 2020 einen Vortrag über die beihilfenrechtliche Bewertung von Strompreissenkungen für die Industrie. Staatliche Beihilfen könnten grundsätzlich einer Verlagerung insbesondere der stromintensive Industrie in Drittstaaten („carbon leakage“) entgegenwirken. Gegenwärtig seien die Strompreise in Deutschland in weiten Teilen durch Steuern, Abgaben und Umlagen bestimmt. Einen darüber hinaus wichtigen Faktor für die Strompreisbildung stelle das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) dar. Dieses ziele mittel- und langfristig auf einen Anstieg der Preise, um so Anreize zur Vermeidung von CO2-Emissionen zu setzen. Der derzeitige Weg, energieintensive Unternehmen mithilfe von Strompreiskompensationen zu entlasten, könne – insbesondere aus beihilferechtlicher Perspektive – nur eine Übergangsmaßnahme darstellen. Einen besonderen Blick warf Kreuter-Kirchhof auf die von der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ empfohlenen spezifischen Kohleausstiegskompensationen. Der von Deutschland gewählte Sonderweg zum schnelleren Ausstieg aus der Kohleverstromung sei im Sinne des Schutzverstärkerprinzips auf der Grundlage einer Ausnahmeregelung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems zulässig. Die Vermeidung von carbon leakage könne weitere Beihilfen rechtfertigen. Grundsätzlich sei im Energiesektor über eine grundlegende Reform des Systems der Steuern, Abgaben und Umlagen nachzudenken. Das Forum Zukunftsenergie e.V. und die Bucerius Law School laden seit dem Jahr 2016 zu den Berlin Lectures on Energy ein, um die Konsequenzen politischer Entscheidungen für die Rechtsgestaltung und -anwendung in der Energiewirtschaft zu diskutieren.

Prof. Kreuter-Kirchhof wurde im vergangenen Jahr in den wissenschaftlichen Beirat des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität zu Köln (EWI) berufen. Dieser konstituierte sich in seiner Sitzung am 2. November 2020. Dem neuen Beirat gehören Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph M. Schmidt (RWI Essen), Prof. Dr. Srinivasan Keshav (Universität Cambridge), Prof. Dr. Andreas Löschel (WWU Münster), Prof. Dr. Shmuel Oren (Universität Kalifornien, Berkeley), Prof. Dr. Karen Pittel (LMU München) sowie Prof. Dr. Anke Weidlich (Universität Freiburg) an. Die Berufung von Prof. Dr. Kreuter-Kirchhof in den Beirat des EWI vertieft die interdisziplinäre Zusammenarbeit des DIER mit dem EWI in den Querschnittsfragen der nachhaltigen Transformation unserer Energiesysteme. Die rechtswissenschaftliche Forschung des DIER wird so mit der wirtschaftswissenschaftlichen Expertise des EWI verknüpft.

Zu Beginn des kommenden Jahres wird das DIER seine Veranstaltungsreihe „Forum Energierecht“ in Kooperation mit dem Institut für Energiewirtschaftsrecht der Universität zu Köln (EWIR) fortsetzen. Im Rahmen zweier Onlineveranstaltungen am 13.01.2021 und 21.01.2021 werden unter dem Titel „Wege in die Wasserstoffwirtschaft – Herausforderungen an Technik, Ökonomie und Recht“ die technologischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen, die mit der Nutzung von Wasserstoff verbunden sind, erörtert. Die Einladung zu den beiden Tagungen stößt bereits auf große Resonanz. Das Team des Düsseldorfer Instituts für Energierecht hofft, im Jahr 2021 möglichst bald wieder zu persönlichen Begegnungen im Haus der Universität einladen zu können.

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